“Roger gegen Markus” durchschaut?


Die Journalisten Roger Schawinski und Markus Somm führen jeden Montag auf Schawinskis eigenem Radiosender “Radio 1” ein Streitgespräch, das man auch als Podcast konsumieren kann. Leider in schweizerdeutscher Sprache, so dass es für Nichtschweizer eine Herausforderung sein dürfte, den beiden zu folgen.

Wie jede erfolgreiche Sendung folgt auch “Roger gegen Markus” einer klaren Dramaturgie: Schawinski spielt den linksangehauchten, mondänen Bohémien, und Somm den ehemaligen Marxisten, der eine wundersame Wandlung zum FDP-Mitglied und SVP-Sympathisanten vollzogen hat. Somm streitet zwar immer ab, dass er ein Protégé des Ex-Bundesrats, Milliardärs und Profi-Polterers Christoph Blocher sei, aber dass ich die beiden einmal gemeinsam im Hotel Ermitage in Schönried angetroffen habe, können sie nicht abstreiten.

Aber nicht nur Markus Somm hat im Lauf der Jahre in weltanschaulicher Hinsicht eine Wandlung durchgemacht, sondern auch Roger Schawinski. Vom einstigen halbkriminellen Querdenker und Lokalradio-Piraten ist er zum loyalen Vertreter des Mainstreams geworden. Zumindest gibt er sich so in “Roger gegen Markus”; in einer anderen Sendung glänzte er in diesen Tagen dadurch, dass er den Präsidenten der Impfkommission als “Fehlbesetzung” bezeichnete.
Ich habe mich allerdings immer schon gefragt, wie Schawinski jemals in den Ruf geraten konnte, ein “investigativer Journalist” zu sein. Oder gilt das als investigativ, wenn man ein Vorurteil in eine Frage packt oder in einem Nebensatz den Interview-Partner in eine bestimmte Ecke stellt, um ihm dann gleich eine andere Frage zu stellen, die mit den vorher geäußerten Vorwürfen nichts zu tun hat? Seit einiger Zeit kommen bei Schawinski auch noch Wortfindungsstörungen hinzu, die er immer öfter mit einem an seine Tiraden angehängten “etcetera, etcetera” zu vertuschen versucht. Tiraden übrigens, die, wenn Schawinski eine Frau wäre, ganz schnell mal von den Vereinigten Chauvinisten als “hysterisch” bezeichnet werden dürfte.

Markus Somm ist derweil nicht minder schwer zu ertragen. Seine wiederholte Beteuerung, er sei kein Trump-Fan, und was dessen Persönlichkeit angehe, sei er gar nicht auf seiner Seite, aber politisch habe dieser Mann fast nur Gutes bewirkt, irritiert jeden, der ein wenig Bescheid weiß über die Anfänge einer Diktatur. Ich bin sicher nicht der Einzige, der sich fragt, wie ein promovierter Historiker den Schaden übersehen kann, den ein Mann vom Charakter eines Donald Trump in der politischen Kultur anrichten kann. Immerhin sind die USA zur Zeit noch eine Weltmacht, und wenn wir, wie wir das früher getan haben, ihrem Vorbild folgen sollen, dann erbarme sich Gott unserer armen Seelen.

Während Schawinski also den leider schon etwas senilen Hysteriker spielt, sieht die Dramaturgie von “Roger gegen Markus” für Markus Somm den besonnenen und gelassenen “Durchblicker” vor, der seinem Freund Roger öfter mal in ruhigem Ton sagen muss, dass dieser ein Panikmacher sei und sich nicht aufregen solle. Ganz nach dem Motto: Wer schreit, hat unrecht; wer gelassen bleibt, muss die besseren Argumente haben.
In einem aber hat Somm definitiv recht: Es täte Schawinski oft gut, tief durchzuatmen, denn sonst bleibt sein Sprechwerkzeug die ganze Sendung über schneller als sein Hirn.

Warum tue ich mir das jeden Montag an? Ich bin kein Medien-Junkie. Ich besitze zwar ein Online-Abo des Tages-Anzeigers, freue mich dort manchmal über gut recherchierte Artikel und ärgere mich fast genau so oft über journalistisches Geschluder, aber um einmal pro Woche zu erfahren, was in der Schweiz so diskutiert wird, dazu eignet sich “Roger gegen Markus” ganz gut. Dazu noch jeden Samstag “Real Time with Bill Maher” via Podcast-App, und ich weiß auch, welche (leider oft allzu banalen) Themen in den USA zur Debatte stehen.

Aber zurück zum Thema: Wenn man von mir verlangen würde, die Sendung “Roger gegen Markus” zu beurteilen, würde ich drei Varianten zur Auswahl stellen:


Roger gegen Markus: Beurteilungs-Variante 1


Roger Schawinski und Markus Somm sind durchtriebene Journalisten, die genau wissen: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sprich: Der Zuhörer.
Das würde mich ein wenig an das “Streitgespräch” zwischen dem Schriftsteller Max Frisch und dem damaligen Bundesrat Kurt Furgler vom 3. März 1978 erinnern, bei dem später herauskam, dass Frisch vor der Sendung zu Furgler bemerkte: “Wir müssen dann schon schauen, dass wir uns nicht schon nach fünf Minuten in den Armen liegen.”
In diesem Fall hätten wir es bei Schawinski und Somm mit zwei eitlen und elitären Doctores zu tun, die mit ihrer Dramaturgie das gemeine Volk verarschen und den Streit inszenieren, um Einschaltquoten zu generieren. Für diese Variante würde auch die Tatsache sprechen, dass so banale Themen wie die eigene Doktorarbeit öfter mal zur Sprache kommen, so als wollten die beiden damit ihre Glaubwürdigkeit untermauern.


Roger gegen Markus: Beurteilungs-Variante 2


Roger Schawinski hält sich tatsächlich für genial, und um das zu beweisen, holt er sich Sparring-Partner ins Haus, von denen er glaubt, dass sie mittelprächtige Trottel sind, die er spielend zur Schnecke machen und dann als der Gutmensch dastehen kann, als der er gern gesehen würde. Für diese Variante spricht die Tatsache, dass Schawinski nicht nur einmal betont hat, dass er einen Tesla fahre, das Alibi-Auto des wohlhabenden Klima-Retters, und dass er im Kanton Zürich regelkonform seine Steuern zahle.
Seinen früheren Sparring-Partner Roger Köppel, der für den originellen Original-Titel der Sendung, nämlich “Roger gegen Roger”, verantwortlich war, hat er oft für sein Steuerdomizil Küsnacht angegriffen, als ob das einen Unterschied machen würde zu Schawinskis Wohnsitz am Zürichberg. Zusätzlich musste sich Köppel öfter mal anhören, dass Schawinski ja schließlich doktoriert hätte, was bei mir immer extrem peinlich und anerkennungsbedürftig rüberkam. Und das von einem Mann, der Radiogeschichte geschrieben hat und solche Eitelkeiten eigentlich nicht nötig haben sollte.
Weil Köppel 2015 in den Nationalrat gewählt wurde und Schawinski “nicht jede Woche dem gleichen Politiker ein Sprachrohr geben wollte”, hat er Köppel durch Markus Somm ersetzt. So lautet zumindest die offizielle Erklärung.


Roger gegen Markus: Beurteilungs-Variante 3


Roger Schawinski und Markus Somm sind authentisch. Sie sind so, wie sie sind, und sie tragen ihr Herz auf der Zunge. Und während andere den Kontakt zueinander schon lange abgebrochen hätten, bleiben sie sich treu oder, wie die beiden, die glauben, Amerika zu kennen, weil sie schon einmal länger als drei Wochen dort waren, gerne amerikanismeln: “We agree to disagree”, “wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind”. Unter diesen Umständen die (übrigens früher auch mal typisch amerikanische) Debatten-Kultur aufrecht zu erhalten, wäre dann wirklich löblich und unserer Demokratie zuträglich.
Ach, wie gern würde ich diese Variante glauben. Aber ich habe furchtbare Angst davor, dass mich der investigative Journalist Schawinski als naiv bezeichnet. Durchschaut?


1 thoughts on ““Roger gegen Markus” durchschaut?”

  1. Alle Varianten haben etwas an sich.
    Die Variante 3 scheint am einfachsten – jedenfalls, mit einer geringfügigen Korrektur: Roger Schawinski trägt ausschliesslich seines Egos auf der Zunge. Weil es das ist, was ihm in seinen medialen Auftritten als einziges auf dem Herz liegt, ist es eben schon auch folgerichtig, dass ihm das Herz auf der Zunge zu liegen scheint. Die Gewichtung verschiebt sich allerdings in einer Bedeutung, welche in der Arena “Brot und Spiele” im abtötenden Suff des Konsumierens nicht mehr gebührend wahrgenommen wird. Schawinski hat damit nicht nur die Radiopiraterie erfunden, sondern auch die Herz-auf-der-Zunge-Piraterie. Für mich gilt er deswegen als einer der eindrücklichsten Wegweiser, wie Mensch es mit Ego und Talent zum Erfolg bringen kann, um im Alter aus reinstem Ego zu bestehen, um nicht bemerken zu müssen, wie kläglich an solchen Egomanen der Untergang der Menschheit als eingeläutet angenommen werden könnte. Schawinski verkörpert damit das höchste Gut seiner maximal möglichen (Selbst-)Erkenntnis: “Ich bin Roger und ich habe deswegen recht, weil ich es sage – mit Doktortitel und damit mit dem Stempel der staatlichen Denkberechtigungs-Bescheinigung gesiegelt!” Damit passt er wohl zu 99% der Medien und damit zur Mehrheit derjenigen, welche deren Finanzierung ermöglicht.
    Markus Somm erleb ich als Vehikel von Schawinsik. Gesichert gilt für mich ebenfalls die Erkenntnis: Schawinski und der Begriff investigativer Journalismus, gehen zusammen, wie eine Döschwo-Aufhängung in einem Formel1-Ferrari (2CV, ehemaliges franz. Billigauto mit 2PS).

    Variante 2: Der Eingangs-Satz ist ausreichend für eine zielsichere Punktlandung. Er hält sich nicht nur für genial, sondern für berechtigt, dass die minderbemittelt genialen, um seine Genialität herumtanzen wie um das goldene Kalb. Damit ist gesagt, was zu sagen ist. Tatsächlich ist es so, dass nur die Masse ein goldenes Kalb erkürt, welche sich etwas davon versprechen, oder einfach keine Alternativen finden. Ein Parameter welche die Intelligenz der Massenseele einschätzen lässt, deswegen mache ich mir ja auch Sorgen um das Wohlergehen der Menschen in den Industriestaaten, zu welchen ich mich beschämt zählen muss. So etwas, könnte Schawinski ja nie passieren. Es sei denn, er könnte als Showman öffentlich zelebrieren, wie sehr er sich über die Dummheit anderer schämt, welche doch zumindest äusserlich die Form von Menschen …

    In der Variante 1, besticht die Durchtriebenheit dieser Profis, welchen man zu Recht zutraut, dass sie beide genau wissen, was sie tun. Mit dem Unterschied, dass sich Roger Schawinski tatsächlich für den völlig zurecht erkorenen Gottvater nicht einmal in die stolz geschwellte Brust bemühen muss. Er ist völlig grundlos immer stolz auf sich. Besonders dann, wenn er sich Gutmensch fühlt. Also rund um die Uhr. Wann bemerken Gutmenschen, dass Sie eine Form leben, deren Inhalte sie aus ihrer Perspektive nie zu verstehen vermögen werden? Deswegen können sie nicht anders, als zerstören und sie nennen sich dabei noch kreativ und halten sich für genial. Könnten sie es nur erahnen, müssten sie vor Scham versinkend in Demut und Ehrfurcht vor der Schöpfung – wie auch immer diese erlebt werden möchte – in der Vergebung gegenüber sich selbst, in Wahrhaftigkeit zum Leben als solchem aufrichten zu versuchen.

    Auf der Strecke bleibt meines Erachtens der effektive Stellenwert der Information. Nicht nur von besagten Sendeformat. Deswegen, kann ich die Meinung des Hans Peter Zimmermann nicht nachvollziehen, wenn der die gut recherchierten Beiträge im Tagi erwähnt. Nicht auszuschliessen, dass es selbige in verschwindender Minderzahl und untergeordneter Bedeutsamkeit tatsächlich geben könnte.

    Journalisten können ja nur so, wie sie es gelernt haben und dies nur innerhalb der Grenzen, welche der Verleger auch zulässt. Die fortgeschrittene Globalisierung scheint in Dualität mit dem Leben zu stehen.
    Die Frage bleibt: Was an dieser Sichtweise ist derart unberechtigt, dass sie dergestalt fundamentaler Korrektur bedürfte, und dem Ruf zum Polierdienst all der goldenen Kälber zu folgen?

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